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10. Februar 2014 :: David schreibt:

10. Februar 2014 :: David schreibt:

Beitragvon Naminé » Mi Feb 12, 2014 10:59

:: Die PlaymoBEAT-Montags-Kolumne ::

10. Februar 2014 :: David schreibt:

Haar, Teil II

Ich bin sehr spät auf “Die Ärzte” aufmerksam geworden. Der Grund dafür war nicht der stehende Groove des Trommlers oder die Punkvergangenheit einzelner Musiker, sondern ein Werk mit dem Namen “Le Frisur”.
Dieses Konzeptalbum handelt ausschliesslich von Haaren und passt daher natürlich zum Thema des Monats.
In einem Titel wird der Schlüssel zum Erfolg bei Frauen und im Beruf dargestellt. Eine gepflegte Frisur, so heisst es dort, ist ein Garant für regelmässigen Geschlechtsverkehr. In einem anderen Lied macht der Dreitagebart den Jüngling zum respektierten Mitglied der Gesellschaft.
Ihr ahnt es schon, ich begann vor Jahren diesen Anregungen zu folgen und in meinem Leben veränderte sich einiges.
Am Anfang jeder Veränderung stand aber der erste Schritt und der führte mich zu einem Frisör.
Ich war das erste mal mit 35 auswärts beim Haareschneiden. So war ich eingeschüchtert und peinlich berührt, als mir ein fremder Mann über meinen Kopf strich und mich fragte, wie ich es haben wolle. Schön kurz oder etwas länger?
Ich sagte, er solle nur machen und heraus kam etwas, was eher einer Karikatur von einer Frisur ähnelte. Der gute Mann wusste nicht, dass ich nicht in einer Bank arbeitete oder die spiessige Langeweile einer Bayerischen Kleinstadt durch die Wahl meines Kopfschmuckes auszudrücken versuchte.
Seit diesem traumatischen Erlebnis habe ich mir einen Satz zurechtgelegt, den ich kurz nach dem Betreten eines Frisörsalons mantraartig vor mich hinspreche: “Ich arbeite nicht in einer Bank, die Frise kann wild aussehen und es darf mit einem Rasiermesser in die Haare gehackt werden.”
Jedes Bitten und Betteln für eine vorzeigbare Haarpracht half nichts.
So vergingen Jahre, in denen nichts passierte, und meine Frisur aus mir einen Bankbeamten machte aber sicher keinen heissen Feger. Nur an und ab verhalf mir ein Dreitagebart zu anerkennenden Blicken in der Randgruppe der Trommler.
Ich wusste, dass eines Tages der Tag der Verwandlung kommen würde. Der Tag kam und die Verwandlung fand ausgerechnet in einer Kleinstadt im Süden Deutschlands statt, wo mich eine unvorteilhaft gekleidete junge Frau von oben bis unten musterte und mich mit einem mir vertrauten “Wie willst du es haben, schön kurz oder etwas länger?” in einen neuen Lebensabschnitt katapultierte. Meiner Erwiderung “schön kurz aber wild” folgend, verliess ich den Salon als der Mann, der ich immer sein wollte, mit der Frisur von der “Die Ärzte” sangen.
Ich war cool und empfindsam, stark und verletzlich. Dieses junge Geschöpf hatte ein Wunder vollbracht und mir endlich einen Knaller-Haarschnitt beschert.
Nun fahre ich mehrere Stunden zum Frisör. In einer Welt, wo andere Menschen zum Weihnachtsshoppen nach New York fliegen hinterlasse ich den geringeren CO2 Abdruck.
P.S.:
Wenn ich mich einsam fühle, singe ich das Lied von der Frisur und dem Erfolg.
Dann geht es mir gleich besser und ich muss Lächeln. Mit den “Toten Hosen” klappt so etwas nicht.
"Ich schwälge in Erinnerung und dreh' die Zeit zurück.
Verlier' mich in Erinnerung für einen Augenblick.
Genauso wie es früher war wird's niemehr sein, das ist mir klar,
Doch hol' ich gern die Erinnerung zurück, für einen Augenblick."
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