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28. April 2014 :: Andi schreibt:

28. April 2014 :: Andi schreibt:

Beitragvon Blueeye » Mo Apr 28, 2014 21:07

:: Die PlaymoBEAT-Montags-Kolumne ::

28. April 2014 :: Andi schreibt:

Der Mensch liebt die Deckung


Das Schlimmste, was man machen kann, wenn man möchte, dass sich Menschen näherkommen, ist die Beseitigung jeglicher physischer Grenzen zwischen ihnen. Die nicht vorhandene Hürde, ist die allerschlimmste und unterbindet jeglichen Kontakt zum Gegenüber. Eine Hürde kann ein Hindernis sein, sie bietet aber auch Schutz. In der Leere fühlt man sich schutzlos. Man hat nur einen Fixpunkt – sein Gegenüber. Für den Beginn einer Unterhaltung fürchtet man zu große Zugeständnisse. Lieber erst gar nicht anfangen. Die fiktive Hürde wird errichtet und die reißt man nur schwer wieder ein. Ich will damit nicht sagen, dass jede greifbare Trennvorrichtung, wie eine Mauer oder ein dichter Laubwald, eine Unterhaltung anregen würde. Man muss sich schon sehen können und die Möglichkeit des Austausches muss gegeben sein. Aber jeder kann auf seiner Seite sein, sich für die andere Seite interessieren, ohne dass man gleich denkt, man wäre aufdringlich oder seltsam. Gemeinsame Fixpunkte oder Themen, halten die Distanz und können sehr hilfreich sein. Also, z.B. ein Lagerfeuer – alle sitzen zufrieden und entspannt um das zu heiße, blendende und stinkende Element. Die Unterhaltungen gehen tief. Man diskutiert die brisantesten Themen oder schüttet unbekannten Menschen sein Herz aus, als ob man in einer Gruppentherapie säße. Zwischendrin wird gemeinsam geschwiegen und ins Feuer gestarrt. Tolle Sache. Undenkbar mit einem leeren Kreis.
Anderes Beispiel: zwei Nachbarn in ihrem jeweiligen Reich. Ein dünner Drahtzaun bietet Sicherheit. Das Gespräch passiert beiläufig. In den Redepausen wird die Wassertonne geleert und der Rasen geharkt. Alles entspannt, man fühlt sich sicher.
Oder die Gegenübersitzsituation im Zug. Eisige Stille. Wenn man jetzt einfach was sagt, hat man bis zum Ende der Fahrt die gesamte Lebensgeschichte des Visavis erfahren. Die nötige Entspannung für den Mitfahrerkontakt kommt erst dann zustande, wenn jeder ein Buch, etwas zu Essen oder sein Handy vor sich liegen hat. Man kann sich beiläufig unterhalten und verkriecht sich im Falle der Unlust hinter seinem gekochten Ei. Ein Tisch hilft auf alle Fälle. Wenn man sich im Zug gerne unterhält, dann auf jeden Fall den Vierertisch reservieren. Aber auch da braucht es noch einen zusätzlichen Schutzwall. Ein Tisch alleine macht kein Gespräch. Man muss dabei essen oder trinken. Mit dem Bier in der Hand WILL man reden. Sobald es leer ist, verebbt das Gespräch. Bei der Musik ist es genauso. Ein Musiker braucht ein Instrument, damit er sich nicht mehr nackt fühlt. Oder eben ein Bier. Und schon geht es los – unterhaltsam wird es auf alle Fälle.
Wenn Jugendliche beatboxen, hält man sich immer die Hand vor den Mund und tut so, als ob da ein Mikro wäre, hinter dem man sich ein bisschen verstecken kann. Ohne geht nicht. Die fiktive Hürde kann jeder von uns im Nu errichten. Unsere Kleidung, unsere Autos unser Bierglas, der Gartenzaun, das Lagerfeuer – all diese Dinge stehen zwischen uns und am Ende helfen sie, die Hürden zwischen uns abzubauen. Oder wollt ihr nackt, ohne Feuer, ohne Bier ohne Auto mit eurem Nachbarn im Freien rumsitzen? Also bei käme da kein Wort raus.
Nur wer sich erhebt, kann sich auch widersetzen!
Blueeye
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