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23. Juni 2014 :: Andi schreibt:

23. Juni 2014 :: Andi schreibt:

Beitragvon Sophie » Mo Jun 23, 2014 17:48

:: Die PlaymoBEAT-Montags-Kolumne ::

23. Juni 2014 :: Andi schreibt:

Beharrlichkeit

Ich sitze gerade in einem kleinen englischen Vorgarten eines zierlichen Bed & Breakfasts und genieße die Sonne. Im nächsten Moment scheint es regnen zu wollen, aber diesen Eindruck vermittelt der Himmel schon seit zwei Tagen und vermutlich ist das sein Ganzjahres-Hobby. Britannien eben.
Der kleine Hund des Hauses heißt Jess. Auch er hat ein Hobby. Er will spielen. Mit mir. Ich habe aber keine Lust. Egal, wo ich mich aufhalte, immer liegt ein kleiner, grüner, nasser Ball an meinem Fuß, auf meinem Schoss oder neben meiner Hand. Ich tue mein Bestes, diese Freundschaftsgeste zu ignorieren. Es hilft nichts. Wenn ich den Ball einfach liegen lasse, kommt Jess spätestens nach einer Minute wieder angerannt, nimmt den Ball ins Maul, läuft damit kurz um die Ecke, nur um gleich darauf wieder hinter ihr hervor zu hüpfen und so zu tun, als ob er mich gerade erst entdeckt hätte. So wird der Ball, frisch eingeseift, ein weiteres Mal auf meinen Schoss gelegt und Jess starrt erneut auf Ball und Mensch. Als wäre nichts geschehen. Ok, das Warten lohnt sich. Jedes zwanzigste Mal erbarme ich mich und werfe die Ekel-Kugel so weit ich kann über die stark befahrene Straße und hoffe, dass der Köter endlich vom Glück verlassen wird und ein dicker englischer LKW dem Treiben ein Ende bereitet.
Doch schon liegt der Ball wieder neben mir.
Ich bin beeindruckt. Wenn sich jemand nicht entmutigen lässt, zeugt das entweder von Dummheit, Vergesslichkeit, Geduld, Überzeugung oder einer unumstößlichen positiven Lebenshaltung.
Jess hat von alldem ein bisschen und wird dieses Spiel bis zu seinem Lebensende nicht aufgeben – da bin ich mir ganz sicher. Ich fühle mich Jess sehr verbunden und kann mich einer gewissen Bewunderung nicht verwehren.
Ist es nicht unfassbar wertvoll und sollte man nicht zutiefst dankbar sein, wenn man etwas gefunden hat, an das man glauben und an dem man festhalten kann?
Jeder trägt seinen kleinen Ekelball mit sich herum und wenn man ihn nur oft genug auf den Schoss fallen lässt und geduldig wartet, wird er geworfen werden. Auch wenn das bedeutet, dass man dafür über die stark befahrene Straße muss.
Nimm jedes Wort aus meiner Kehle
Trag jedes Wort von mir bei Dir
Denn nur mein Wort hat eine Seele
Ganz anders als der Rest von mir
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